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Historisches

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Vom Landwirt zum Lehrer

Der Name der Goslarer Pestalozzi-Schule passt. Denn ihr Namensgeber Johann Heinrich Pestalozzi gilt als ein Wegbereiter der modernen Pädagogik. Er wurde während des 18. Jahrhunderts geboren und setzte sich dafür ein, den Unterricht anschaulich zu gestalten, einzelne Schüler mit Defiziten zu unterstützen und „Kopf, Herz und Hand“ der Schüler zu fordern.

Nicht nur Wissen und Handwerk, sondern auch Moral sollten die Kinder lernen. Und zwar alle Kinder, egal, ob arm oder reich. Schon während seiner Jugend beschäftigte sich der Schweizer mit Philosophie. Sein Studium brach er ab und begann eine landwirtschaftliche Lehre. 25 Kilometer von Zürich in der Schweiz entfernt kaufte er 20 Hektar Land. Als Bauer scheiterte Pestalozzi aber. Um seine Schulden zu tilgen, musste er sein Land verkaufen und die Verwandten seiner Frau bitten, ihm zu helfen. Nachdem er als Schriftsteller gearbeitet hatte, leitete Pestalozzi ein Heim für verwaiste Kinder. Für Pestalozzi war danach klar: Er wollte Lehrer werden. Seine neu entwickelten Unterrichtsmethoden bezogen alle Kinder mit ein -egal ob leistungsstark oder aus einem armen Haushalt. saf

4. Die Geschichte der Pestalozzischule (Auszug aus dem Schulprogramm)
Seit April 1920 bis heute über 85 Jahre Hilfe und Förderung für die Kinder anzubieten, die es aus vielfältigen Gründen schwer haben, zu lernen und sich schließlich doch zurechtfinden müssen im Leben, das ist eine über ein ganzes Menschenleben reichende Spanne pädagogischer Tradition. In wechselhafter deutscher, zugleich städtischer Geschichte, haben Generationen von Schülerinnen und Schülern, Lehrerinnen und Lehrer unter der Leitung von 5 Schulleiterinnen und Schulleitern ihr Tagwerk gemeinsam gestaltet und sich dabei stets einem Vorbild nahe gewusst J . H. Pestalozzi. Bis heute gründet sich die Identität der Schule, ob "Notschule", Hilfsschule, Sonderschule oder Förderzentrum genannt, auf den gewiss idealistischen Glauben Pestalozzis, dass jeder Mensch mündig ist, sein Schicksal selbst zu gestalten, in welchem Maße er auch ein Produkt seiner Lebensumstände ist, und welchem Maße er fremder Hilfe bedarf. Die Maximen Pestalozzis, dass der Mensch, "Werk der Natur", "Werk der Gesellschaft" und "Werk seiner selbst" ist, sind sicher heute noch gültig. So wird bei Pestalozzi schon deutlich, dass das Kind nur in den Grenzen seiner Anlagen seinen Weg finden kann, aber die Chance bekommen muss, diesen Weg selbstbestimmt zu gehen. Dazu bedarf es der Erziehung als Hilfe zur Menschwerdung. Diese Hilfe zu leisten ist Aufgabe der Familie, der Schule ja letztendlich Aufgabe der Gesellschaft. Sie ist zu leisten von jedem Einzelnen an jedem Einzelnen.
Hier hat sich die Stadt Goslar, heute stets so stolz auf ihre mittelalterlichen sozialen Einrichtungen und Traditionen, so offenbart die Chronik, am Anfang unserer Schulgeschichte offensichtlich schwer getan. Die Pestalozzischule hatte eine schwere und lange Geburt und man hat den Eindruck: sie war kein Wunschkind der Stadtoberen.
Die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert hatte die Schulpflicht gebracht, die die Voraussetzung dafür war, dass ein Bedarf an Schulen für entwicklungsgehemmte oder schwach befähigte, im Lernen beeinträchtigte Kinder entstehen konnte. Zunächst entstanden (Internats-) Schulen für taube und blinde Kinder: 1778 Leipzig, 1788 Berlin oder Gehörlosenschulen: 1799 Kiel. 1804 Wien, 1806 Berlin, 1809 Chemnitz Blindenschulen! Zwischen 1800 und 1860 entstanden Nachhilfeklassen, "Notschulen", die außer geistig behinderten vor allem umwelt-/milieugeschädigte Kinder aufnahmen. Erst um 1870 und danach wurden Schulen für schwach befähigte Kinder errichtet, die sich unter dem Namen "Hilfsschule" bald schnell ausbreiteten. 1867/68 Dresden, 1874 Gera, 1875 Chemnitz, Apolda, 1879 Elberfeld, 1881 Braunschweig, Leipzig.
So waren 1905 bereits in 143 Städten 15000 Kinder in 700 Hilfsschulklassen. 1912 waren es in 285 Städten bereits 39000 Kinder in 1700 Hilfsschulklassen. Nur: Goslar gehörte nicht dazu. Es widerstrebte der Entwicklung. Obwohl das "Schul-Collegium" auf eine Verfügung der Königlichen Regierung vom 23.04.1901 hin dem Goslarer Magistrat die Errichtung einer Hilfsschule mit sehr eindrucksvollen Worten nahe legte: "Wir halten es für wünschenswert und segensreich, durch Gründung einer Hilfsschule diesen ärmsten unter den Kindern zu helfen, sie nach Möglichkeit zu brauchbaren Menschen zu erziehen und sie womöglich durch die Hilfsschule vor späterer Verwahrlosung zu bewahren", so geschah in den Jahren 1902 bis 1919 nichts. Die Chronik belegt den langen Weg. Was hinderte den Goslarer Magistrat, das zu tun, was schließlich in nahezu 300 Städten begriffen und verwirklicht wurde? Wir wissen über die Hintergründe der wiederholten Ablehnungen nichts. So musste erst der Erste Weltkrieg mit seinen politisch-sozialen Umbrüchen und die Revolution das Verständnis der Öffentlichkeit für die "ärmsten" Kinder wecken. 1920, im Jahr, als schon der Name "Sonderschulen" entstand, errichtete Goslar endlich seine Hilfsschule. Lehrer Ritzau begann mit 1 Klasse von 28 Kindern (15 Knaben und 13 Mädchen). So ist die Pestalozzischule schließlich ein Kind der Weimarer Republik und der Demokratie auch das ist uns ein Stück Tradition und Erfahrung.

Dass die Pestalozzischule im sog. Dritten Reich allen "völkischen" Irrtümern anheimfiel, wie auch die "Reichsbauernstadt Goslar" mit über 60 % NS-Wählern, auch darüber berichtet die Chronik. Es ist unser historisch dunkelstes Kapitel, welches wir nie vergessen dürfen. Rassegesetze, Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses, Sterilisation, Sippentafeln und Euthanasie womöglich erfassen auch die Pestalozzischule. Die Lehrer werden zunehmend durch die NSdAP gleichgeschaltet und willfähriges Werkzeug, teils aus Überzeugung, teils aus Angst und Überlebungswillen. Die Kinder werden als erbkrank hingestellt, gelten als körperlich, geistig und sittlich verwahrlost oder entsprechend gefährdet. Man denkt darüber nach, ob die NSV solchen Kindern und ihren Familien ihre Unterstützung nicht versagen sollte. NS-Gesundheits- und Jugendamt sind Überwachungsorgane. Die Pestalozzischule hat einen "Sachbearbeiter für volksdeutsche Unterrichtsfragen". Hitler-Bild und Hitler-Gruß, Sammelbüchse der NSV, Besuch des Führers zum Erntedankfest, Fest der deutschen Jugend, Volksopfer, Altpapier- und Knochensammlung, Jungvolk, HJ, Luftschutz und "Kohlenklau" alles was in Deutschland geschah, ist auch Teil der Geschichte der Pestalozzischule. Nur eines verwundert: Sie wechselt ihren Namen nicht.
Am 01. April 1945 feiert man 25 Jahre Pestalozzischule. Die Schule hat 132 Schüler und Schülerinnen.
Eine neue Epoche beginnt: die Nachkriegszeit! Hat das negative Image der Sonderschule bis heute seinen Ursprung in den Ereignissen der Hitlerzeit? Sonderschule die Schule, die den benachteiligten Kinder besondere Hilfe zu teil werden ließ, die Schule, die mit ehrenwerten Zielen gegründet wurde, wurde sie zur Schule, die absonderte, aussonderte, selektierte? Rührt daher immer noch die Angst vieler Eltern? So recht aufgearbeitet hat man nicht, was von Pestalozzis Ansprüchen die Zeit überdauerte und was pervertierte. Fast übergangslos ist Flüchtlingselend, Schulspeisung, Heft- und Federnzuteilung die Notversorgung das Gebot der Stunde. Wie sich Schule missbrauchen ließ, wurde verdrängt oder fiel ab wie gelöste Ketten. Andere Nöte hatte man zu bewältigen: Schulraumnot! Die Pestalozzischule wanderte in den Jahren 1944 bis 1985 von Gebäude zu Gebäude, hatte hier Notklassen und dort. Die Chronik zählt das minutiös auf. Tradition und Identität in einem eigenen Gebäude zu entwickeln, ist der Pestalozzischule bis 1985 nicht vergönnt (65 Jahre!). Dass Schulstube gerade für Sonderschüler auch ein Stück Zuhause ist, damit kann sich die Pestalozzischule kaum befassen, sie ist im Verlauf ihrer Geschichte im wesentlichen "Schule unterwegs".
Und trotz dieser Situation werden der Pestalozzischule weitere Aufgaben aufgelastet. 1964 wird die Sonderschule Oker aufgelöst und die Schüler werden der Pestalozzischule zugewiesen. Ab 1967 kommen Klassen für Geistigbehinderte dazu, die unter der Trägerschaft des Landkreises Goslar aber in der Klubgartenstraße ebenso unvollkommen untergebracht sind, bis sie endlich 1986 als selbständige Schule nach Vienenburg ziehen und dort gut ausgestattet werden. Mit Beginn des neuen Schuljahres 1985 erhält die Pestalozzischule mit dem Umzug in die Georgenbergschule endlich das 65 Jahre lang ersehnte gemeinsame Zuhause für alle Klassen. In den letzten 10 Jahren blüht die Pestalozzischule pädagogisch geradezu auf.

1985: In einem freiwilligen 10. Schuljahr kann der Hauptschulabschluss erworben werden. Schüler aus den umliegenden Sonderschulen besuchen diese 10. Klasse gern, um sich weiter zu qualifizieren. 1985: Endlich genügend Fachräume! Exzellente Sportmöglichkeiten, die sich für viele Sport- und Spielfeste und Turniere mit anderen Schulen nutzen lassen bis hin zum jährlichen Sportfest von Sonderschulen aus 3 Bundesländern aus Anlass der Deutschen Einheit (1990).
1986/87: Ein Schulgarten und ein Gartenteich werden angelegt. Ein Gartengerätehaus wird von Schülern der Klasse 10 in einer Projektwoche errichtet.
1987: Das Fotolabor wird eingerichtet.
1989 beginnt die Arbeit im Computerraum.
Bis 1990 wird der Schulhof um 2 Spielbereiche und weitere Spielgeräte bereichert.
In den 80er- und 90er Jahren wird zunehmend offenbar, dass die Pestalozzischule auf dem Weg ist, ein Förderzentrum zu werden. Schon lange Jahre wurden je nach Lehrerausstattung fast alle Goslarer Grundschulen mit Sprachheilunterricht durch unsere Sonderschullehrer und -lehrerinnen versorgt. Daraus entwickelte sich schließlich der Wunsch zu engerer Zusammenarbeit. Kooperationsverträge mit 4 Grundschulen wurden abgeschlossen und mit Leben erfüllt. In Okers Grundschulen geschieht besondere Förderung aufgrund der "Duhm-Studie". Hervorzuheben ist besonders die enge Zusammenarbeit mit allen Berufschulen des Landkreises. Ein Tag in der Woche besuchen die Oberstufenklassen die Berufschulen, um einen guten Übergang nach dem Sonderschulabschluss zu erlangen. Im Jahre 1993 wird eine Integrationsklasse an der GS Sudmerberg eingerichtet, die sonderpädagogisch von der Pestalozzischule betreut wird. Weitere Integrationsklassen folgten.
Einen erneuten Einschnitt in der Geschichte der Schule stellt das Jahr 2004 dar: Die Hauptschule Georgenberg wird mit der Hauptschule Innenstadt zur neuen Hauptschule Kaiserpfalz verbunden und verlässt ihr angestammtes Gebäude, das von nun an von der Pestalozzischule allein genutzt wird. Diese wird wiederum mit den aufgelösten Förderschulen Langelsheim und Liebenburg verbunden. Wiederum müssen sich die Schülerschaften und die Kollegien mehrerer Schulen zusammen finden, erhalten aber auch Impulse für neue Entwicklungen und Projekte.
Die Entwicklung integrativer Beschulungsformen schreitet im gesamten Landkreis Goslar weiter voran. Ab 2007 übernimmt die Pestalozzischule die Aufgabe der sonderpädagogischen Grundversorgung für die Grundschulen der Stadt Langelsheim und der Gemeinde Liebenburg. 2008 werden 2 Lehrerstellen für die sonderpädagogische Grundversorgung der Stadt Goslar bereitgestellt. Unter Einbeziehung der bereits vorhandenen Ressourcen für Integrationsmaßnahmen können nun die Grundschulen Jürgenohl, Sudmerberg und die Schillerschule diese Beschulungsform anbieten. Die sonderpädagogische Grundversorgung für die Schulen der Stadt Goslar wird mit Beginn des Schuljahrs 2009/10 erweitert. Die Grundschule Worthstraße wird in das Konzept einbezogen.
2009 fasst der Rat der Stadt Goslar den Beschluss, die katholische Grundschule Worthstraße in das Gebäude der Pestalozzischule umzusiedeln. Das Gebäude wird dafür aufwändig umgebaut und saniert. Nach den Herbstferien 2009 nimmt die Grundschule den Betrieb am neuen Standort unter dem Namen "Worthschule" auf.

Gemeinsames prägt immer mehr die Arbeit der ineinander greifenden Schulsysteme Regelschule und Förderschule auf dem Georgenberg wie auch außer Haus. Durch die Novelle des Schulgesetzes 2012 wird die inklusive Schule Realität. Ab Schuljahr 2013/14 mit den Klassen 1 und 5 beginnend werden die Schülerinnen und Schüler mit diversen sonderpädagogischen Unterstützungsbedarfen grundsätzlich inklusiv in den Regelschulen beschult ein Paradigmenwechsel der Unterrichtsbedingungen für Förderschülerinnen und schüler wie auch Förderschullehrkräfte. Durch die bereits zu diesem Zeitpunkt nahezu vollständig in allen Grundschulen umgesetzte sonderpädagogische Grundversorgung sowie die Arbeit in Inklusionsklassen der Sekundarschulen wird durch das Kollegium auf der Basis der dort gesammelten Erfahrungen ein tragfähiges Konzept zur "Arbeit in inklusiven Kontexten" bis Ende 2012 fertig gestellt. Die Arbeit des Förderzentrums nimmt so auch konzeptionelle Form an.

Weitere Elemente der schulischen Arbeit der Pestalozzischule wie
- die Neuorientierung in der Zusammenarbeit mit der Jugendhilfe,
- die konzeptionelle Ausrichtung der Lehrerfortbildung,
- die intensive thematische Auseinandersetzung mit problematischen Aspekten der Inklusion wie aber auch
- die Implementierung von Mitarbeit im Kinderschutznetzwerk,
- die Durchführung gemeinsamer Projekte mit der Worthschule wie ein gemeinsames Schulfest,
- ein regelmäßiges Angebot einer Alpinski-Freizeit und
- die feste Verankerung des berufsorientierten Kompetenzfeststellungsverfahrens AC Profil in Klasse 8 ergänzen das bisherige Schulprogramm.

Das bereits seit Jahren verankerte Projekt "Gesundes Schulfrühstück" bekommt 2012 einen neuen Rahmen: Ein Raum wird eigens mit professioneller Gerätschaft und neuem Mobiliar zu einem Frühstücksraum ausgestattet. Ab 2012/13 wird den Schülerinnen und Schülern der Pestalozzischule darüber hinaus die Möglichkeit geboten, das Mensaangebot der Worthschule mit zu nutzen und ein Mittagessen im Hause einzunehmen.
Nach langen politischen Diskussionen und einer Rahmenplanung für einen relativ reibungslosen Wechsel der Schulträgerschaft geht zum 01.01.2014 die Pestalozzischule von der Stadt Goslar in die Trägerschaft des Landkreises über. Das Gebäude bleibt jedoch eine Liegenschaft der Stadt Goslar.
Die Umsetzung des Schulprogramms im eigenen Hause wird zunehmend problematisch, da die Förderschullehrkräfte des mittlerweile 33 Personen umfassenden Schulteams mit immer größeren Stundenkontingenten an die 26 Kooperations-Regelschulen abgeordnet werden. Dennoch ein so umfängliches Spektrum sonderpädagogisch anspruchsvoller Angebote für unsere Förderschülerinnen und -schüler vorzuhalten, ist dem Engagement und der Flexibilität der Förderschullehrkräfte zu verdanken.
Die Entwicklung der Schülerzahlen ist rückläufig; zum einen werden immer mehr Schülerinnen und Schüler in inklusiven Kontexten beschult, zum anderen erlebt der Landkreis Goslar einen nie dagewesenen Einwohnerschwund.
Die erneut anstehende Schulgesetznovelle, die eine Auflösung der Förderschule Schwerpunkt Lernen und eine Neuausrichtung der Förderzentren zu eigenständigen Beratungs- und Unterstützungszentren vorsieht, bleibt abzuwarten.

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